Dienstag, 4. Februar 2014

"Die Verkaufsfläche vermittelt Authentizität"

Retaildesignpost sprach mit Jutta Blocher, Head of Interior-Design, beim Architektur- und Designbüro Blocher Blocher Partners (Stuttgart), über den von Blocher Blocher inszenierten neuen Engelhorn Bike- und Skaterstore in Mannheim.

Jutta Blocher. Foto: Blocher
Wer bei Engelhorn Sports in Mannheim ein Rad kauft, dem sind die Bergetappen dieser Welt nicht fremd. Das ausgewählte, hochwertige Sortiment an Mountainbikes und Rennrädern, das auf rund 1.000 m² Verkaufsfläche sehr anspruchsvoll von der Abteilung für visuelles Marketing in Szene gesetzt wurde, richtet sich vornehmlich an Profis und Sportler aus Leidenschaft. Daher ist die Verkaufsfläche im Untergeschoss auch mehr als eine Bikeabteilung- sie ist der Dreh- und Angelpunkt für Sportenthusiasten. Konzipiert wurde die neue Abteilung bei Engelhorn Sports in Mannheim, die im März dieses Jahres eröffnete, vom Architkturbüro Blocher Blocher Partners in Stuttgart. Decofy sprach mit Jutta Blocher, Head of Interior Design über das Store-Design-Konzept , das Präsentationssystem sowie über die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Store-Design und Visual Merchandising.


RDP: Die neue Bike- und Skaterabteilung im Untergeschoss des Sporthauses an
den Kapuzinerplanken in Mannheim stellt einen weiteren Schritt in der
Erfolgsgeschichte der Unternehmensgruppe Engelhorn dar. Sie haben das Store
Design der neuen Abteilung konzipiert. Welche Idee steckt hinter dem
Konzept?
Jutta Blocher: Engelhorn war es wichtig mit der neuen Bike- und Skaterabteilung
besonders Profis und Radsportbegeisterte anzusprechen. Wir haben dies in eine
sinnliche Erfahrungswelt übersetzt, unter anderem um das Erlebnis vor Ort von
der anonymen Welt des Onlineshoppings abzugrenzen. Auch wenn das Wort oft
überstrapaziert wird, trifft es hier doch zu: Die Verkaufsfläche vermittelt
Authentizität - und damit die Fachkompetenz Engelhorns.

RDP: Was macht dieses Konzept so besonders, so einmalig?
Jutta Blocher: Das Besondere ist die Umsetzung der Faszination Radsport in die
Dreidimensionalität– unter anderem durch das Formen- und Farbkonzept sowie durch Details, etwa abgehängten Radtrikots. Zudem illustriert das Innenarchitektur-Konzept den allgegenwärtigen Community-Gedanken…

RDP:… was darf man darunter verstehen?
Jutta Blocher: Beispielsweise lädt die Bar „Gipfelkette“ die Community dazu ein, sich zu
treffen und auszutauschen. Am großen Tisch vor der Bar können
Fachzeitschriften durchgeblättert, Gespräche vertieft, Liveübertragungen
geschaut oder Rennen organisiert werden. Interessierte können auch an den
wöchentlich stattfindenden Radtreffs und Ausfahrten teilnehmen.

RDP: Betrachtet man die neue Abteilung bei Engelhorn Sports, so wirkt sie als
befände man sich in einer Luxusboutique oder einem Juwelierladen, in denen
erlesene Designerstücke angeboten würden und Fahrradliebhaber sowie
Radsportverrückte“ so voll auf ihre Kosten kämen. Sieht so Ihrer Meinung nach
die Zukunft des Bikehandels aus?
Jutta Blocher: Für den Einzelhandel allgemein gilt, dass er sich profilieren muss. Ob das
Storedesign besonders edel ist oder Vintage-Charme ausstrahlt, hat mit der
Dachmarke und der Zielgruppe zu tun. Ein guter Laden muss auf jeden Fall ein
Lieblingsort sein, an den man immer wieder zurückkehren möchte. Das haben
wir bei Engelhorn Sports mit unserem Konzept definitiv erreicht, indem wir den
Profisport mit einem hochwertigen Design in Szene setzten.

RDP: Für die Präsentation der Räder haben Sie unter anderem eine flexible
Schienenkonstruktion eigens entwickelt, auf der die Bikes, so heißt es,
scheinbar in der Luft schweben“. Es sollte also, auch was die
Präsentationssysteme angeht, nichts von der Stange kommen, sondern auch hier die Einzigartigkeit des Stores widergespiegelt werden?
Jutta Blocher: Es gab auf dem Markt einfach kein Präsentationssystem, das unserer Meinung nach Fahrräder ins perfekte Licht rücken konnte. Da lag es nur nahe, selbst die richtige Lösung zu entwickeln. Maßgeschneiderte Konzepte sind schließlich ein
Qualitätsmerkmal.

RDP: Bleiben wir noch kurz bei den Materialien. Welche haben Sie noch eingesetzt?
Jutta Blocher: Hauptsächlich klare, „ehrliche“ Materialien wie Holz, Estrich, Schwarzstahl
oder Metallgewebe.

RDP: Welche Rolle spielten dabei die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit?
Jutta Blocher: Das Design ist hochwertig und hat dadurch eine möglichst lange
Halbwertszeit. Es spiegelt keine kurzfristigen Trends, sondern eher einen
Lifestyle wider, der die nächsten Jahre sicher überdauern wird. Die Materialien
selbst sind selbstredend Natur verträglich.

RDP: Wie hat man es bei diesem spannenden Projekt erreicht, Store-Design und
Visual Merchandising miteinander zu verbinden, beide Disziplinen zu einer Einheit verschmelzen zu lassen?
Jutta Blocher: Die Verbindung beginnt mit der Struktur unseres Büros, in dem wir neben
Architekten und Innenarchitekten unter anderem auch Grafiker und Visual
Merchandiser beschäftigen. Die verschiedenen Disziplinen greifen wie
Zahnräder passgenau ineinander, sodass wir unseren Kunden ganzheitliche
Leistungen aus einer Hand anbieten können. Auch in diesem Falle wurden die
Visual Merchandiser früh in den Planungsprozess mit eingebunden, um die
Warenpräsentation auf das Store Design abzustimmen.

RDP: Apropos Abstimmen: Wie hat man es geschafft, die Themen Biking und Skating unter einen Hut zu bringen?
Jutta Blocher: Durch unser Store-Design ist das Thema Skating ja bereits formal
abgegrenzt, etwa durch verschiedene Materialien oder die großflächigen
Bildmotive. Daran knüpfte unsere Kreativagentur Blocher Blocher View mit
dem Visual Merchandising an. Im Radsportbereich haben wir auf eine funktionale
Präsentation geachtet, stellen Produktdetails heraus und zeigen die Ware in
größerem Volumen und mit allen Sortiments-Facetten. In der der Skaterabteilung
indes vermitteln wir mit verschiedenen Falt- und Hängetechniken den lässigen
Lifestyle-Gedanken der Sportart. Auch im Cross Merchandising konnten wir uns
hier austoben.

RDP: Mit welchen Blickfängen wurde im Visual Merchandising
gearbeitet, um bei den Kunden Emotionen zu wecken?
Jutta Blocher: Die tollen Bikes sind ja an sich schon Blickfänge, die die interessierten
Kunden auf jeden Fall begeistern. Wir haben diesen Fakt herausgearbeitet,
indem wir einzelne Fahrräder von der Decke herabgehängt haben. Außerdem
platzierten wir Ausstellungsstücke mit passenden Accessoires auf den
Präsentationstischen. Dadurch werden die Räder aus der reinen Präsentation
herausgehoben und Teil der emotionalen Inszenierung des Stores. Zugleich
unterstreichen wir so die Kompetenz Engelhorns auf einer weiteren, subtilen
Ebene.

RDP: Welche Technologien wurden am PoS eingesetzt?
Jutta Blocher: Über der Kasse, an der Bar und im Skaterbereich haben wir Bildschirme
installiert, auf denen etwa Liveübertragungen von Radrennen gezeigt werden.
Zum exquisiten Service gehört unter anderem das sogenannte „Trek Project
One“ – hier können sich die Kunden vom Rahmen bis zu allen Anbauteilen
individuell das perfekte Rad zusammenstellen lassen. Außerdem wird es ein
computergesteuertes Bike Fitting-Messsystem geben für die optimale
Anpassung der Räder an die Sportler.

RDP: Frau Blocher, vielen Dank für dieses Gespräch.






Kurzvita:

Jutta Blocher lebt und arbeitet in Stuttgart. Nach dem Studium der Innenarchitektur war sie zunächst für verschiedene Unternehmen tätig. 1989 gründete sie mit ihrem Mann Dieter Blocher das auf ganzheitliche Projektentwicklung spezialisierte Architektur- und Designbüro Blocher Blocher Partners, das an den Standorten Stuttgart, Mannheim und Neu-Delhi heute 150 Mitarbeiter beschäftigt. In ihrer Funktion als Head of Interior Design ist Jutta Blocher u. a. für Klienten aus dem Bereich des erlebnisorientierten Einzelhandels verantwortlich, darunter Holy, Hugo Boss, Betty Barclay sowie für das Stuttgarter Unternehmen Breuninger und die Mannheimer engelhorn Gruppe.

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